So blümerant
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da wirkten Söder und Kurz wie ein bayerisch-österreichisches Traumpaar. Kurz galt der CSU und Söder als ein Fixstern, von dessen Abglanz man zu profitieren hoffte. Sebastian Kurz war ja auch Liebling der Bild-Zeitung und der Sehnsuchts-Kanzler vieler Deutschen. Aus und vorbei. Der Artikel in der FAZ erschien ausgerechnet am Tag, als beim amtierenden Finanzminister und Kurz-Intimus Gernot Blümel eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung wegen Bestechlichkeit ablief. Das und der Experten-Bericht zum Attentat von Wien: es wird einem so blümerant.
In einer Pressekonferenz, die samt den dann abgewürgten Journalisten-Fragen nicht länger als fünf Minuten gedauert hat, begann Blümel jede Antwort mit dem Hinweis, für wie unangenehm auch er diese Situation halte. Unangenehm, unbehaglich, flau – das sind Synonyme für das schöne Wort blümerant, das sich laut Duden vom französischen Ausdruck bleu mourant ableitet. Sterbendes (blasses) Blau, so die Übersetzung. Das passt schon für sich ganz ausgezeichnet, noch besser passt es freilich zu diesem Tweet des grandiosen Fotojournalisten Matthias Cremer.
welcome pic.twitter.com/kq7fyeTbq1
— Matthias Cremer (@MatthiasCremer) February 11, 2021
Rücktritt als eine Frage der Ehre
Blümel – für den selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt, der alle Vorwürfe, wie er sagt, ganz leicht und schnell aufklären kann und deshalb auch sicher nicht komplett oder auch nur vorübergehend zurücktreten will – dieser Blümel wandelt auf den Spuren des Helden von Ibiza. Und damit bringt der Finanzminister natürlich die Koalition aus der Spur. Die Grünen wissen wieder einmal nicht, wie sie sich am besten verhalten sollen – der Vorarlberger Grünen-Chef Landesrat Johannes Rauch hat auf ORF III immerhin gemeint, ein Rücktritt von Gernot Blümel wäre in dieser Situation eine Frage der Ehre. Das hat etwas von Wasch mir den Pelz und mach mich nicht nass.
Grüne mit Blümel im reißenden Fluss
Dabei stehen sie doch mit der Kanzlerpartei in einem immer reißender werdenden Fluß. Die Arbeitsministerin ist zurückgetreten, weil sie Plagiatsvorwürfen in Zusammenhang mit ihren akademischen Arbeiten nichts entgegenzusetzen hatte, der Vorsitzende des Ibiza-Untersuchungsausschusses und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka muss sich immer wieder wegen Befangenheit verteidigen, auch in seinem blümeranten Fall geht es um den Glücksspielkonzern, der angeblich alle zahlt, wie es einem in der Finca auf Ibiza herausgelockt und aufgezeichnet worden ist. Und neben dem Finanzminister sieht sich auch der Innenminister mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, die Karl Nehammer allerdings ebenso strikt zurückweist wie Parteifreund Gernot Blümel.
Die Dokumentation des Polizei-Versagens
Der Innenminister ist mit dem Endbericht der von ihm und der grünen Justizministerin eingesetzten Untersuchungskommission zum Terroranschlag von Wien geschlagen. Es ist eine Dokumentation des Versagens, vom Zwischenbericht angefangen, der durch die geschwärzten, aber mittlerweile enttarnten Passagen noch verschärft wird, bis zum Endbericht, der auch noch eine klare Absage der fünf ExpertInnen an das nach dem Attentat in Windeseile geschnürte Antiterror-Paket enthält. Die Kommission hält die Pläne für überschießend, weil unnötig. Man komme mit den bestehenden Regelungen aus, wenn die Behördenstrukturen irgendwann wieder funktionieren, so der Sukkus.
Nehammer und der Vertuschungs-Vorwurf
Und nicht zuletzt hat sich Nehammer noch einen schwerwiegenden Vertuschungs-Vorwurf eingehandelt, aufbauend auch auf Aussagen der Kommissions-Vorsitzenden Ingeborg Zerbes. Sie hat erhebliche Zweifel an der Darstellung des Innenministeriums, wonach die Ressortspitze keine Ahnung davon gehabt habe, dass der Staatsschutz und das Heeresnachrichtenamt 2020 die Aktivitäten einer Terrorzelle in Österreich auf dem Radar hatten, ohne zu handeln – mit dem bekannten tödlichen Ausgang. Der Innenminister versucht, sich mit leicht durchschaubarem Framing aus der Affäre zu ziehen, der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit spricht rätselhaft über einen Kellerraum. Eine kuriose Verteidigungslinie, die auch Experten-Vorsitzende Zerbes nicht nachvollziehen kann. Hier der Beitrag aus dem Ö1-Mittagsjournal dazu.
Licht im Tunnel pic.twitter.com/LP6sIUxTLH
— Claus Pándi (@Claus_Pandi) February 11, 2021
Selbst der Schein ist nicht mehr rein
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da wirkten Sebastian Kurz und seine Jünger unantastbar. Der Fixstern. Jetzt stehen zwei Schlüsselminister des ÖVP-Teams unter schwerem Beschuss, Korruptionsverdacht hier, Verantwortung für Behördenversagen dort. Die Auftritte von Kurz und Blümel im Ibiza-Untersuchungsausschuss fallen einem wieder ein, von oben herab und selbstherrlich. Sündteure Peinlichkeiten wie das jetzt eingestellte Kaufhaus Österreich von der Wirtschaftsministerin und vom Präsidenten der Wirtschaftskammer. Die Grünen hätten die Chance, sich gegenüber der ÖVP in der Regierung zu profilieren. Man weiß nicht, ob und wie sie sie nutzen werden. Fix ist nur eines: Der Glanz ist weg, und selbst der Schein ist nicht mehr rein.
Ein Gedanke zu „So blümerant“
Gegen FPOe-Kickl gibt es schon lange Korruptionsverdacht. Warum tut sich nichts?