McDonalds Njet
Christoph Leitl hat das Problem innerhalb der Familie gelöst. Die von ihm entsandte AUVA-Obfrau Renate Römer war wegen fragwürdiger Auftragsvergaben an ihr nahestehende Personen längst untragbar geworden, doch der unausweichliche Rücktritt wollte nicht kommen. Also schuf Leitl kurzerhand den Posten einer Sonderbeauftragten für Berufsmeisterschaften und lobte Römer dorthin weg. Mit der Aussicht auf einen Trip nach São Paulo zur sogenannten World Skills im Sommer 2015. Das ist so schräg, dass es fast schon wieder genial ist. Die selbstreinigende Selbstverwaltung. Eine große Familie.
Zweiundzwanzig Sozialversicherungsträger von der AUVA und der PVA über die neun Gebietskrankenkassen bis zu den den sechs kleinen Betriebskrankenkassen. An die tausend Funktionäre aus Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer, die als Kassenobmänner und Stellvertreter bis zu 4000 Euro an Funktionsgebühren im Monat kassieren und vor allem viel Macht haben. Denn sie verwalten rund 55 Milliarden Euro an Versicherten- und Steuergeldern, die Jahr für Jahr eingezahlt werden.
Zähe Selbstreinigung in der AUVA
Der Bund hat zwar über das Sozial- und das Gesundheitsministerium die Aufsicht, aber sonst nicht viel zu sagen. Beamte des Gesundheitsressorts haben zwar in die Bücher der AUVA Einschau gehalten und einen vernichtenden Bericht über Renate Römer abgeliefert (hier beim Falter-Kollegen Benedikt Narodoslawsky alles über den Fall). Aber es musste erst ein exotischer Posten erfunden werden, um die stellvertretende Wirtschaftskammerpräsidentin Renate Römer als Obfrau der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt loszuwerden. Und wer weiß. Hätte Christoph Leitl nicht in vier Monaten Wirtschaftskammerwahlen und das Ziel, zum gefühlten hundertsten Mal als Kammerchef wiedergewählt zu werden, dann würde Frau Römer wahrscheinlich ihre AUVA-Periode bis zum bitteren Ende 2016 durchgedient haben.
ÖIAG-Aufsichtsrat ein Lercherl dagegen
Der sich selbst erneuernde ÖIAG-Aufsichtsrat, den die Regierung zuletzt so wortreich beklagt hat und dem sie jetzt den Garaus machen wird, ist ein Lercherl gegen das System Sozialversicherung. Dennoch sieht der Sozialminister keinen grundlegenden Reformbedarf. Eine Zusammenlegung der Kassen nennt Rudolf Hundstorfer das Austauschen von Türschildern und meint damit zum Beispiel, dass eine Fusion der Gebietskrankenkassen zur Folge hätte, dass Landesstellen geschaffen werden müssten. Solche haben etwa auch AUVA und PVA, und es ist mehr ein Argument für die Fusion statt dagegen.
Die rot-schwarzen Kassen-Imperien
Diese Landesstellen kommen nämlich ohne Obfrauen, Obmänner, Vorstände, Generalversammlungen und Kontrollversammlungen aus und vor allem ohne teures Management – im Sozialversicherungs-Sprech ist von Leitenden Angestellten die Rede. Und wer diese gutbezahlten Posten bekommt, das entscheiden natürlich auch die Kämmerer und Gewerkschafter. Aus Hundstorfer, der eine Kassenfusion vom Tisch gewischt hat, spricht der frühere Präsident des Gewerkschaftsbundes, für den die Sozialversicherung eine gewaltige Machtbasis darstellt. Gleiches gilt für die Wirtschaftskammer, und dass Präsident Leitl als einziger für die Zusammenlegung der 22 Träger auf nur noch drei eintritt, mag auch damit zu tun haben, dass er so gefahrlos sein Reformer-Image weiter pflegen kann. Insider Leitls Kalkül: Ernst gemeinte Reformversuche würden an den Mauern der Kassen-Imperien abprallen.
Reformer Leitl spielt nur Pingpong
Und so spielt Leitl, der selber Kassenobmann ist – in der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft nämlich -, sein Pingpong-Spiel mit dem neuen Hauptverbandspräsidenten Peter McDonald. Der ist immer noch Direktor des ÖVP-Wirtschaftsbundes, das ist die dominierende Fraktion in der Wirtschaftskammer, und sein Chef dort ist Christoph Leitl. Bis vor kurzem war McDonald geschäftsführender Obmann der SVA, also die rechte Hand von Christoph Leitl in der Selbstständigen-Kasse. Und jetzt, zum Hauptverbandschef aufgestiegen, sagt McDonald njet zu den Fusionsplänen seines Noch- und Ex-Chefs. Man kann sich ausrechnen, wer von beiden es nicht richtig ernst meint.
Die großen Fußstapfen von Schelling
Vorgänger von McDonald an der Spitze des Hauptverbandes, die traditionell der Wirtschaftskammer zusteht, war der jetzige Finanzminister Hans Jörg Schelling. Und der hat im Hauptverband so agiert, wie er es jetzt in der Regierung versucht. Wortgewaltig und zupackend – Schelling ist ein durchaus starker Hauptverbandschef gewesen, das haben im System mit den vielen Pfründen nicht alle gern gesehen. Es sind große Fußstapfen, in die McDonald da getreten ist. Und der Neue weiß, dass er sich keinen Fehler erlauben darf. Die Kassen-Obleute sähen ihre Dominanz im System gern wieder gefestigt und werden keine Gelegenheit dazu ungenützt lassen.
Dreizehn Leistungskataloge zu viel
Denn es geht eben nicht um Türschilder, wie McDonald und Hundstorfer uns weismachen wollen, sondern um handfeste Machtinteressen. Jede Krankenkasse hat in Österreich ihren eigenen Leistungskatalog und verhandelt also für sich, welche Leistungen den Ärzten in welchem Ausmaß vergütet werden. Vierzehn solche Leistungskataloge gibt es im kleinen Österreich, über eine Vereinheitlichung wird seit Jahren nur gesprochen. Der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer sieht hier ein Milliarden-Sparpotenzial (und nicht nur er – hier zum Beispiel auch das Boltzmann-Institut in einer vergleichenden Studie). Und zwar deshalb, weil einheitliche Leistungen und Vergütungen ein homogenes System ermöglichen und sündteure Reibungsverluste beseitigen helfen würden.
Vielleicht das letzte große Tabu
Gesundheitsreform und Kassenreform schließen einander nicht aus, sondern sie bedingen einander. Das ist im Kammerstaat Österreich mit seinem sozialpartnerschaftlichen Sozialversicherungsgeflecht vielleicht eines der letzten großen Tabus, das Lebenslügen wie diese hervorbringt: Die Selbstverwaltung stellt eine Mitwirkung des Volkes an der Verwaltung effektiv sicher. Diesen Satz kann man auf dem Internet-Portal der Sozialversicherung lesen, und dieser Satz ist so falsch, wie etwas nur falsch sein kann.
Das Volk darf für die Pfründen zahlen
Das Volk darf nicht mitwirken. Das Volk darf Beiträge und Steuern zahlen, damit das tabuisierte System der Selbstverwaltung weiter funktioniert. Damit die Kammer- und Gewerkschaftsfunktionäre ihre Pfründen verteidigen können und sich im Fall des Falles auch einmal etwas unverschämt Originelles einfallen lassen. Wenn es zum Beispiel eine Spitzenfunktionärin wie Frau Römer in der AUVA zu weit getrieben hat.
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