Wenn Gebluffte bluffen
In diesem Land herrscht Sehnsucht nach Persönlichkeiten, die Dinge unaufgeregt auf den Punkt bringen und Wahrheiten aussprechen. Das erklärt, warum eine mögliche Präsidentschaftskandidatur Alexander Van der Bellens im Jahr 2016 den Blätterwald jetzt schon rauschen lässt. Und es erklärt, warum die jüngsten Auftritte der früheren Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Irmgard Griss, diese binnen eines Tages zum Star der Twitteria gemacht haben: #griss for president. Das mag übertrieben sein, aber dass die souveräne Leiterin der Hypo-Kommission politisch Interessierte in diesem Land nicht kalt lässt, ist ein Faktum. Da hält eine Außer-Politische den Politikern den Spiegel vor.
Ursprünglich ist die sogenannte Griss-Kommission stark in Zweifel gezogen worden. Eingesetzt vom damaligen Finanzminister Michael Spindelegger, um der immer lauter werdenden Rufe nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss Herr zu werden, haben sich die Rahmenbedingungen mittlerweile gravierend verändert. Spindelegger ist nicht mehr in der Politik, und der Untersuchungsausschuss wird kommen, weil ihn bald die Minderheit einsetzen darf. Die Griss-Kommission konnte im Schatten dieser Ereignisse ungestört werken und hat gute Arbeit geleistet. Wobei gute Arbeit in diesem Fall leider einem geradezu vernichtenden Urteil über die österreichische Politik gleichkommt.
Die Österreicher haben versagt
Alle kommen schlecht weg. Die Kärntner Landespolitik, der der Kommissionsbericht moral hazard bescheinigt, weil die Hypo dank der Landeshaftungen volles Risiko expandierte und das Land davon ausging, dass im Fall des Falles schon der Bund einspringen würde – und munter Haftungsprovisionen in vielfacher Millionenhöhe von der Bank kassierte. Es hat die Aufsicht versagt, im Land sowieso – aber auch auf Bundesebene, wo unter anderem die Nationalbank ihre Aufgabe nicht erfüllte.
Die Bayern haben gut gepokert
Das Finanzministerium hatte keine Strategie entwickelt, als die Bayern auf eine Übernahme ihrer Anteile zu drängen begannen. Die Verstaatlichungsentscheidung sei dann ohne ausreichende Entscheidungsgrundlage getroffen worden. Die Bayern hätten Gang und Ergebnis der Verhandlungen maßgeblich bestimmen können – die Drohung, die Hypo pleite gehen zu lassen, sei ein reiner Bluff gewesen. Gegen diese Interpretation durch Armin Wolf hat sich Irmgard Griss im ZIB2-Interview nicht gewehrt.
Ex-Minister Pröll & Fekter schweigen
Nach der Verstaatlichung ist es dann ähnlich unprofessionell weitergegangen. Die Untersuchungskommission wirft den Entscheidungsträgern nicht mehr und nicht weniger vor als: Entscheidungen getroffen zu haben, ohne über eine ausreichende Informationsgrundlage zu verfügen und ohne das erforderliche Fachwissen beschafft zu haben. Das sind schwerwiegende Vorwürfe, die in erster Linie die damals amtierenden ÖVP-Finanzminister Josef Pröll und Maria Fekter treffen. Beide sind nicht mehr im Amt und nehmen zu der Sache nicht Stellung.
Zwei Ex-Staatssekretäre mauern
Pröll ist aus der Politik draußen, Fekter ist ÖVP-Kultursprecherin im Nationalrat. Ihr Klubobmann ist Reinhold Lopatka, und der war zur Zeit der Hypo-Verstaatlichung ÖVP-Staatssekretär im Finanzministerium. So wie SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder zu jener Zeit roter Staatssekretär im Finanzministerium war und in der Nacht des großen Bluffs der Bayern sogar mit am Verhandlungstisch gesessen ist. Lopatka und Schieder gingen auf die Vorwürfe der Kommission, die auch sie selbst betreffen, gar nicht erst ein. Sie pickten sich die Kritik an der – damals freiheitlichen – Kärntner Landespolitik heraus und verteidigten die Hypo-Verstaatlichung einmal mehr. Regierungschef und damit auch irgendwie mitverantwortlich für das Desaster der Hypo-Aufarbeitung ist seit 2008 übrigens Werner Faymann.
Der Kanzler analysiert erst mal
Der SPÖ-Chef will den Griss-Bericht analysieren. Ab Seite 334 kann Faymann ausführlich lesen, was aus Sicht der Kommission im Beihilfenverfahren der EU zu den Staatshilfen für die Hypo alles schiefgelaufen oder besser: bewusst unterlassen worden ist. Ein enger Kontakt mit den zuständigen Stellen in der Europäischen Kommission wäre unabdingbar gewesen, und zwar auf höchster politischer Ebene, steht da zum Beispiel. Der Kanzler, der noch dazu in EU-Angelegenheiten praktisch eine Richtlinien-Kompetenz hat, darf sich ruhig angesprochen fühlen. Werner Faymann hat sich in Sachen Hypo-Aufarbeitung nie öffentlich vorgedrängt. Jetzt haben wir es schwarz auf weiß, dass er auch hinter den Kulissen in der Causa nicht übertrieben engagiert war.
Der politisch-mediale Reflex
Die Ergebnisse der Griss-Kommission bestätigen, was viele Journalisten schon geschrieben haben. Aber mit dem politisch-medialen Komplex ist das so eine Sache in Österreich. Einerseits geht der Bundeskanzler schon einmal mit dem Chefredakteur einer großen Tageszeitung auf Lesereise, um dessen Buch zu promoten, andererseits wettert der SPÖ-Vorsitzende in Parteitagsreden gegen angebliche ÖVP-Journalisten, die einen Keil in die sozialdemokratische Bewegung treiben wollten. Um dann von hundert Delegierten aus den eigenen Reihen bei der Wiederwahl zum Parteichef gestrichen zu werden. Auch hier schlecht geblufft, könnte man sagen. Aber auch die ÖVP teilt Medien und Journalisten in gute und böse ein, wenn es sein muss.
Außer-Politische setzt Maßstäbe
Irmgard Griss passt nicht in das Gut-Böse-Schema der Parteipolitik. Sie ist höflich, bestimmt und von einer Klarheit in ihren Aussagen, die man im öffentlichen Diskurs hierzulande leider nicht gewohnt ist. Eine Außer-Politische, die mit dem Bericht ihrer Kommission Maßstäbe gesetzt hat. Der Umgang der betroffenen Politiker damit wird auch ein Maßstab sein.