Das komische Fach
Of course, he is an actor. I don’t know whether it’s his true persona or not. But whatever he’s doing, it’s working. Die BBC zitiert eine Kommunikationsberaterin, die die bestechenden Auftritte des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski in Putins Angriffskrieg mit seinem Werdegang als Schauspieler und Serienstar in Zusammenhang bringt. The comedian president who is rising to the moment, lautet der Titel des Artikels. Selenski zeigt – zuletzt vor dem Europäischen Parlament – wie politische Führer Menschen gewinnen können – in diesem Extremfall geht es um den Willen und die Kraft zum Widerstand. In Österreich blühen im Schatten des unfassbaren Kriegs in Europa die Negativbeispiele.
Gerhard Karner hat in der ZIB2 am Sonntag praktisch keine Fragen beantwortet. Zur Drohung Putins mit den russischen Atomwaffen und wie Österreich auf den Worst Case vorbereitet wäre, sagte der Innenminister ernsthaft: Der Zivilschutz in Österreich ist bestmöglich, sofern man auf solche Eventualitäten vorbereitet sein kann, bestmöglich hier vorbereitet. Wir sind hier in enger Koordination, gemeinsam mit den Ländern, auch mit der europäischen Zivilschutzkommission, wo wir aktuell auch entsprechende Hilfsgüter koordinieren und da ist es wichtig, dass wir hier auch entsprechend hier uns zusammentun, damit die Hilfsgüter auch den richtigen Weg finden und die Hilfe dort ankommt, wo sie notwendig ist. Was wollte er uns damit sagen? Ein Foto, das der neu gewählte Präsident des Zivilschutzverbandes, Andreas Hanger, aktuell gepostet hat, erhellt da jedenfalls nichts. So wie die Homepage, die noch nicht aktualisiert und auch sonst wenig zivilschutzvertrauenerweckend ist.
Kriegsopfer erster und zweiter Klasse
Gefragt zur Aufnahme von Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine flüchten, hat der Innenminister gleich zweimal betont, dass das eine andere Situation als 2015 oder 2016 sei. Und: Diesen Menschen aus Europa, denen wollen wir helfen. Der Umkehrschluss kann da nur sein, dass die ÖVP Menschen etwa aus Afghanistan eher nicht helfen will. Der Hinweis auf 2015 oder 2016 sagt alles. (Niemand spricht in diesen Stunden von den Flüchtlingen, die die Putin-Marionette Lukaschenko an die EU-Außengrenze zu Litauen und Polen bringen ließ, um Europa durch menschliches Leid unter Druck zu setzen. Was ist mit diesen Menschen?) Karners Aussagen zeigen, dass die Volkspartei keinen Millimeter vom Kurz-Kurs abgewichen ist. Und sie sind nicht weit entfernt von Aussagen, die der österreichische Journalist Emran Feroz in Übermedien dokumentiert hat. Titel: Von Kriegsopfern erster und zweiter Klasse.
Die Neutralität, die Schweiz und wir
Klaudia Tanner, die Verteidigungsministerin von der ÖVP, ist im ORF-Talk Im Zentrum vor allem damit aufgefallen, dass sie uns mehrmals erklärt hat, dass das jetzt eine Zeitenwende sei. Daran kann ja kein Zweifel bestehen. Zu den Fragen, wie es mit der Neutralität weitergehen und wie Österreich zur Teilnahme an einer europäischen Armee stehen soll, kommen keine Impulse außer der Satz: Was schon notwendig ist: dass wir eine schnelle Eingreifgruppe bis zu 5000 Mann machen. Da bewegt sich neuerdings die seit Jahrhunderten neutrale Schweiz mehr, die sich den Sanktionen der EU gegen Russland nach kurzem Zögern angeschlossen hat. Tanner ist zuletzt vor allem mit einer Umstrukturierung ihres Ministeriums aufgefallen, die – Stichwort Einfärbung – Vertrauensleute in höchste Posten hievt.
Heiße Kartoffel Landesverteidigung
Soldaten haben in der Pandemie ausgeholfen, jetzt ist das Heer mit Militärexperten und ihren Einschätzungen zum Krieg in der Ukraine in Radio und Fernsehen omnipräsent – doch die militärische Landesverteidigung führt weiter ein Schattendasein. Vor zwei Jahren wollte sie die Ministerin – unvergessen ein Hintergrundgespräch ihres Stabschefs Rudolf Striedinger im Lokal Bücke dich – noch auf ein Minimum reduzieren, jetzt ruft Tanner wieder einmal nach mehr Geld für das Bundesheer. Aufrüsten ohne sicherheitspolitisch nachzudenken, das sieht nicht nach einem Erfolgskonzept aus. Und dass die bis vor kurzem so Putin-freundliche FPÖ jetzt die Neutralitäts-Karte spielt, trägt wohl kaum zur Beweglichkeit in der ÖVP bei. Wobei es vom Parteichef und Bundeskanzler eine bemerkenswerte Aussage – gerichtet an die Adresse Putins – dazu gibt: Wer das Völkerrecht missachtet, der missachtet auch die Neutralität.
Lob vor dem Abend für Nehammer
War es nur so dahingesagt, oder ist das mehr? Nehammer wird jetzt allenthalben für seine Krisenkanzler-Fähigkeiten gelobt, er ist Reserveoffizier im nicht allzu hohen Rang eines Oberleutnants. Oliver Pink hat in der Presse ehrfurchtsvoll getitelt: Ein Offizier und Bundeskanzler – und im Text einen ungenannten Kollegen des Kanzlers zitiert, der diesem attestiert: Nehammer versteht das, was ihm der Nachrichtendienst vorlegt. Da hilft ihm sein Hintergrundwissen. Satellitenbilder mit Truppenbewegungen muss man ihm nicht lang erklären. Man wird sehen, wie nachhaltig die Resilienz des Kanzlers im politischen Alltag sein wird. Denn dass seine Partei ein Korruptionsproblem hat, das versteht der Offizier und ÖVP-Obmann noch immer nicht. Dem Untersuchungsausschuss, der am 2. März mit ihm als Auskunftsperson die Befragungen beginnt, unterstellt er eine politische Agenda.
Der Fail des Geschichte-Lehrers
Nehammer delegitimiert den Ausschuss, indem er sagt, das sei kein Gericht. Was nie jemand behauptet hat, weil es dort nicht um Schuld geht, sondern um politische Verantwortung für korruptive Handlungen. Und solche Verantwortung wird der ÖVP aufgeladen werden, wenn sie sie nicht selber nimmt. Ausdruck dessen ist, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka um jeden Preis am Vorsitz im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss festhalten will, anstatt jeden Anschein von Befangenheit zu vermeiden und auf den Vorsitz zu verzichten. Diese Forderung hat Sobotka im TV-Format Club 3 mit der Ausschaltung des Parlaments durch die Austrofaschisten verglichen: Es kann nicht sein, dass jemand wegen irgendwelcher Unterstellungen aus einer Funktion herausgeht, der Erste, der Zweite, der Dritte Präsident. Das hatten wir schon 1933. Dieser indiskutable Vergleich steht weiter im Raum.
Missverständlich und unpassend
Für einen andere Aussage mit zeithistorischem Bezug hat sich der ehemalige Geschichte-Lehrer am Ende entschuldigt. Zitat: Die Ukrainer müssen in der Ukraine bleiben und letztlich ihr Land verteidigen. Was wäre gewesen, wenn alle Österreicher nach 1945 geflohen wären? Womit Sobotka die russischen Befreier von damals mit dem Aggressor Putin von heute gleichgesetzt hat. Nach einer Nachdenkpause hat der Nationalratspräsident eine schriftliche Erklärung veröffentlicht: Meine Aussagen, die aus einer einstündigen Gesprächssituation entstanden sind, waren missverständlich und unpassend und ich nehme sie mit dem Ausdruck großen Bedauerns zurück. Jeder historische Vergleich ist unzulässig. Die Quasi-Entschuldigung hat Sobotka dem ukrainischen Botschafter persönlich überbracht, und jetzt ist wieder alles gut.
Konsequenzen bleiben ein Fremdwort
Wie nach der missverständlichen Aussage von Alexander Schallenberg zum 1938 alleingelassenen Österreich (Wir haben doch 1938 am eigenen Leib erlebt, wie es ist, wenn man alleine gelassen wird) auch wieder alles gut war – obwohl damit der schwelende Opfer-Mythos wieder Nahrung bekommen hat. Der Bundeskanzler hat zu Schallenbergs Fail nie Stellung genommen – und auf die Frage, ob Wolfgang Sobotka für den Vorsitz noch tragbar sei, hat er in der Pressestunde gesagt: Also ich hätte keine Veranlassung, es anders zu sehen. Und Innenminister Karner – so wie Sobotka in der ÖVP Niederösterreich gestählt und politisch aufgewachsen – hat sich überhaupt gleich entschlagen: Der Herr Präsident Sobotka hat seine Aussagen klargestellt. Mehr war Karner, bis zu seiner Ministerzeit Herr über ein Dollfuß-Museum und damit rasch in arger Erklärungsnot, nicht zu entlocken.
Realitätsverweigernde ÖVP-Altkanzler
Es darf und wird der ÖVP nicht gelingen, die Aufklärung durch Mauern, soldatischen Anschein und Betroffenheits-Rhetorik, wenn auch beides angesichts des Krieges in der Ukraine so angebracht wie verlockend sein mag, zu verhindern. Dass Wolfgang Sobotka nur die Aussage mit dem Ukraine-Bezug zurückgenommen und den nicht minder problematischen Vergleich seiner umstrittenen Vorsitzführung mit dem Ende des Parlaments 1933 stehen gelassen hat, passt in dieses Bild. Karl Nehammer wird sich entscheiden müssen, ob er wie sein Vor-Vorgänger Sebastian Kurz die Realitätsverweigerung fortsetzen oder doch einen klaren Schnitt machen will. Die Ukraine, wo wir alle mit Bangen hinschauen, hat einen Präsidenten, der vom Komiker zum ernsthaften und vorbildhaften Politiker geworden ist. Wenn unsere politische Elite nicht aufpasst, geht sie den umgekehrten Weg. Ein anderer ÖVP-Altkanzler, ebenfalls die Realität verweigernd, stolpert schon in diese Richtung.
Ein Gedanke zu „Das komische Fach“
Wie Immer sehr gut. Eine Reinwaschung von Kurz allein durch die Aussage Beinschabs “sie hatte den Kanzler nur einmal flüchtig gesehen” Kurz hatte es nicht notwendig alles selbst zu machen, Er musste nicht Daten aus dem Kanzleramt selbst vernichten. Er hatte genügend Helfer die alles oder fast alles für Ihn machten. Es ist unerträglich, was hier ungeniert gelogen wird.