Zelt vorm Kopf
Jetzt hat sie es also getan. Die Innenministerin lässt Zeltlager für Asylwerber aus Kriegsgebieten errichten, weil der Ansturm sonst angeblich nicht zu bewältigen ist. Die Idee ist dem Innenministerium schon im August des vergangenen Jahres gekommen, auch damals haben überwiegend Flüchtlinge aus Syrien in größerer Zahl Asylanträge gestellt. Johanna Mikl-Leitner hat die Drohkulisse damals rasch wieder abgebaut, es haben sich ausreichend Quartiere gefunden. Diesmal wird die Drohung zur inszenierten Politik, die vor den Populisten in die Knie geht.
Maximal 300 Asylwerber sollen in den Zeltlagern Platz finden, und kritische Stimmen fragen zu Recht, ob nicht menschenwürdigere Quartiere zu finden gewesen wären. Es ist ja nicht nur der Weg des geringsten Widerstands, der hier von der Innenministerin beschritten wird. Die Zelte, die da jetzt aufgestellt werden, signalisieren: Das ist nicht nur ein Ausnahmezustand für die, die zu uns kommen und hier Hilfe suchen, sondern das ist auch ein Ausnahmezustand für uns. Für ein wohlhabendes Land wohlgemerkt, das eine große Tradition in der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen hat.
Alarm schreien & Länder schonen
Mikl-Leitners Kalkül hat mehrere Facetten. Mit den Zeltlagern kann sie gegenüber den europäischen Partnern noch einmal drastisch unterstreichen, welche Last Österreich zu tragen hat. Bilder sagen schließlich mehr als viele Worte. Andererseits werden die Länder geschont, von denen heuer gleich vier neue Landtage wählen und die seit Jahresbeginn damit zu tun haben, dass alle neun Länder ihre Quoten für die Aufnahme von Asylwerbern einhalten. Das wahlkämpfende Burgenland hat bis Dienstag dieser Woche gebraucht, um die Quote zu hundert Prozent zu erfüllen, wie der zuständige Landesrat stolz verkündet hat. Vier Asylwerber auf 1000 Burgenländer, so schaut es dort aus. Gerade noch machbar, offenbar.
Versäumnisse der Anlass-Politik
In Wahlzeiten heißt es eben besonders Rücksicht nehmen, das hat eine frühere Landesparteisekretärin der niederösterreichischen Volkspartei wie Mikl-Leitner im Blut. Und allemal, wenn es dabei hilft, Versäumnisse in der Asylpolitik zu kaschieren. Im November haben sich Regierung und Sozialpartner zum Beispiel darauf verständigt, eine Studie über einen breiteren Arbeitsmarktzugang für Asylwerber in Auftrag zu geben. Mehr als 30.000 Menschen in staatlicher Grundversorgung, die nicht arbeiten dürfen. Das ist ein Unsinn, das hat auch die Regierung eingesehen.
Asylwerber-Studie unter Verschluss
Aber die Studie, die längst fertig ist, hat offenbar sehr heikle Ergebnisse gebracht. Sonst würde sie der Sozialminister nicht so hartnäckig unter Verschluss halten. Herauskommt im Asylbereich eine Politik von Anlass zu Anlass. Mit allen Auswüchsen, die man sich mit einer ehrlichen und vorausschauenden Politik sparen könnte. Zeltstädte, Krisengipfel und der absehbare nächste Streit um die Quoten – alles nur weitere Wahlkampfmunition für die Freiheitlichen, die sich nicht nur in der Steiermark – aber dort mit einem selten geschmacklosen Sujet – auf Asylwerber einschießen.
Unehrlich wie beim Bankgeheimnis
Vorausschauend und ehrlich, das würde der Regierung überhaupt gut tun. Da hat sie jetzt in ihrer Not, die Steuerreform gegenfinanzieren zu müssen, einen großen Schritt gemacht und de facto das Bankgeheimnis abgeschafft. Künftig werden Steuerfahnder und Korruptionsermittler leichteres Spiel haben, und Österreich erfüllt auch seine internationalen Verpflichtungen früher – der automatische Informationsaustausch über Finanzkonten kommt schon 2016. Eine zeitgemäße Regelung, für die die Regierung tatsächlich Lob verdient und sogar den Segen der Kronenzeitung bekommen hat – und das will in Sachen Bankgeheimnis etwas heißen.
Wenn Erfolge irgendwie passieren
Aber man hat den Eindruck, als sei der Regierung dieser Erfolg passiert – wenn der Bundeskanzler zum Beispiel wieder mit der Oma und dem Sparkonto fürs Enkerl daherkommt und versichert, dass da eh keiner hineinschauen werde. Und sich der Vizekanzler – gefragt, ob das jetzt das Ende des Bankgeheimnisses sei – weniger blümchenhaft, aber doch auch windet. Wieder ein Kniefall vor den Populisten. Noch ein Zelt vorm Kopf. Und den Erfolg, den plakatieren dann die Grünen, die der Koalition zur Zweidrittelmehrheit für das Ende des Bankgeheimnisses verhelfen werden.
Ein Gedanke zu „Zelt vorm Kopf“
Der Vorarlberger SPÖ-Chef Michael Ritsch ist im Gegensatz zu vielen seiner MitbewerberInnen im „Ländle“ ehrlich und sagt, was Sache ist: Die Mitbestimmung von Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen muss abgeschafft werden, weil sich die Gesamtschule anders nicht umsetzen lässt. „Sonst warten wir noch 30 Jahre.“