Oligarchenliebe
Oligarchie ist die Herrschaft der Wenigen. Und was Oligarchen heute sind, das definiert Wikipedia so: Ein Oligarch ist ein Großunternehmer mit einem geschätzten Vermögen von mehr als 1 Milliarde US-Dollar, der durch Korruption auch politische Macht über ein Land oder eine Region erlangt hat. Im Falle Russlands geht das nicht ohne das Wohlwollen von und ohne vorhergehende Unterwerfung beim kriegsführenden Despoten Wladimir Putin. Deshalb die Sanktionen gegen die Oligarchen, die von manchen Ländern wie Italien und Großbritannien beinhart durchgesetzt werden. Bei uns gibt sich die Regierung ahnungslos und macht auf schau ma, dann wer ma sehen.
Der neue Gesundheitsminister Johannes Rauch war bisher das einzige Regierungsmitglied, das auf die Frage: Soll auch Oleg Deripaska auf die Sanktionenliste der EU? nicht ausweichend geantwortet hat. Rauch hat in der Ö1-Reihe Im Journal zu Gast gesagt: Deripaska besitzt oder hat besessen bis vor kurzem ein Hotel in Lech am Arlberg in der Größenordnung von 30 Millionen Euro, ich bin schon der Meinung, dass die Sanktionierung dieser Oligarchen ein probates Mittel ist, um indirekt auch Druck auf Wladimir Putin auszuüben. Und Rauch auf die Frage, ob es für Deripaska eine Ausnahme geben sollte: In meinen Augen nicht, weil da sollte man schon europaweit eine einheitliche Linie fahren.
Der gut vernetzte Herr Deripaska
Der Oligarch hat nicht nur ein Hotel in Lech, ihm gehört auch fast ein Drittel der STRABAG, deren andere Großaktionäre Hans-Peter Haselsteiner und Raiffeisen sind. Recherchen des ARD-Magazins Kontraste und der deutschen Wochenzeitung Die Zeit haben ergeben, dass Deripaska zweimal auf dem Entwurf der Sanktionenliste der EU gestanden und dann wieder von dort verschwunden sei. Der Verdacht fiel rasch auf Österreich mit seiner jahrelangen Russland-Liebe, die offenbar auch Oligarchenliebe bedingt. Das Dementi Wiens war den deutschen Journalisten gegenüber schon einigermaßen lau (man dürfe zur Entstehung der Sanktionenliste gar nichts sagen) – auf Nachfragen in Österreich wurde es noch lauer. Nicht dass Interventionen zugunsten Deripaskas dementiert werden, sondern das Wie verwundert.
Der lapidare Tweet aus dem Hause Schallenberg
Vom Außenministerium gab es einen lapidaren Tweet, dass man die vom Außenbeauftragten der Europäischen Kommission vorgelegten Listungen in keinster Weise beeinsprucht oder Änderungen eingefordert habe. Als ob so etwas öffentlich passieren würde – und nicht intransparent im Vorfeld des Beschlusses. Glaubwürdige Dementis schauen jedenfalls anders aus. Und Tatsache ist laut Kommission: Alle Entscheidungen über die Verhängung neuer Sanktionen werden von den Mitgliedstaaten im Rat einstimmig getroffen. Ein Einziger könnte blockieren. Die Beratungen sind vertraulich.
Es ist ein Rätsel, wie er von der Liste verschwunden ist, so ein Diplomat zur ARD – er meinte Deripaska. Nach dem Tweet aus dem Hause Schallenberg wurde es nicht besser.
Die Empörung am Rande des Gipfels
ORF-Korrespondentin Raffaela Schaidreiter hat am Rande des Gipfels in Versailles den Bundeskanzler zu Deripaska befragt, Karl Nehammer hat zunächst hörbar seiner Empörung darüber Luft gemacht, dass Österreich verdächtigt wird, Oligarchen zu schützen: Es gibt eine Sanktionsliste, die von der Kommission verfasst wird, es werden die Oligarchen von der Kommission festgelegt. Und dann soll es eine österreichische Intervention für einen Oligarchen auf dieser Liste geben? In dieser ganzen Frage der Transparenz, das wär ja total absurd. Absurd wäre es überhaupt nicht, wenn man den österreichischen Hintergrund betrachtet.
Die hohle Antwort des Bundeskanzlers
Es wäre kaltschnäuzig und verlogen. Besonders spannend dann die Antwort Nehammers auf die Frage, ob die Regierung vorschlagen werde, auch Deripaska auf die Sanktionenliste zu setzen: Ich kenne unsere Sanktionsliste im Detail nicht, das gehört nicht zu meinem Aufgabenbereich, aber entscheidend ist ja, dass die Union als Gesamtes hier agiert hat. Eine Antwort, die dermaßen hohl klingt, dass sie nicht einmal der Finanzminister toppen konnte. Magnus Brunner wurde in der ORF-Pressestunde die gleiche Frage gestellt wie Nehammer beim EU-Gipfel – Soll Deripaska auf die Liste? – und der ÖVP-Minister sagte ernsthaft: Das wird auf europäischer Ebene entschieden, das wird dort gesehen, aber ich kann’s nicht beurteilen.
Kogler auf Tauchstation im Maschinenraum
Der grüne Bundessprecher und Vizekanzler Werner Kogler wird wissen, warum er bisher zu der Frage – die ihm von den Ö1-Journalen gestellt worden ist – nur geschwiegen hat. Es wäre zweifellos eine noch längere Worthülse geworden. Dass aber ausgerechnet Kogler nichts zu Deripaska einfällt, ist doppelt fragwürdig. Im Interview mit Corinna Milborn auf Puls24 hat er die Oligarchen als lohnendes Ziel bezeichnet, deren Vermögen werde zu erheben sein: Was in anderen Staaten der Union möglich ist, sollte auch in Österreich möglich sein. Es gibt Pläne, dem Ganzen auf die Spur zu kommen, so Kogler geheimnisvoll bis heute.
Die Ansage der Rechnungshof-Präsidentin
Die Grünen sehen sich als Vorkämpfer gegen Korruption und für mehr Transparenz, die Oligarchen sind aber kein Ruhmesblatt für sie. Die sind nämlich der Inbegriff von Intransparenz und per definitionem Leute, die durch Korruption auch politische Macht über ein Land oder eine Region erlangt haben. Bemerkenswert in dem Zusammenhang ist ein sehr lesenswertes Interview mit Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker, das am Samstag in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist. Kraker sagt da den Satz: Das Wort Transparenz wird so oft benutzt, aber wir tun uns nicht immer leicht damit. Kanzler Nehammer hat den Beweis dafür geliefert mit seiner Antwort auf die Frage nach einer Intervention durch Österreich: In dieser ganzen Frage der Transparenz, das wär ja total absurd. Nehammer hat damit gemeint: Wo doch alle über mehr Transparenz reden, könnt ihr uns das doch nicht ernsthaft zutrauen. Leider muss man ihnen das zutrauen, es fehlt schlicht jede Glaubwürdigkeit.
Die immer noch anhaltende Verblendung
Karl Nehammer war ja auch der, der gesagt hat: Die ÖVP hat kein Korruptionsproblem. Margit Kraker hat die Sache im SZ-Interview gnädigerweise von der ÖVP weg abstrahiert und auf die Frage, ob Österreich ein Korruptionsproblem habe, gesagt: Derzeit schon. Österreich hat ein Problem damit, endlich zu zeigen, dass viele Probleme, die öffentlich geworden sind mit dem Ibiza-Video, mit der Parteienfinanzierung, mit Postenbesetzungen, mit Transparenz bei Einkommensfragen, aufgearbeitet und gelöst werden. Sprich: wir haben ein richtig großes Problem, das besonders die ÖVP nicht sehen will. Die machtverblendete Volkspartei glaubt immer noch, das kann man mit einem Kommunikationstrainer aus Deutschland lösen, der ein bisschen Untersuchungsausschuss-Design für die Immer-noch-Kanzlerpartei macht.
Der Überschmäh mit dem Aluminium
Einer, der Oleg Deripaska nicht fernsteht, hat auf die Anfrage, ob er zur Sanktionen-Frage etwas sagen möchte, ablehnend geantwortet und dann noch den Satz hinzugefügt: Vielleicht hat es etwas mit dem Alu-Markt zu tun? Es war eine Anspielung auf die Anteile, die Deripaska am Konzern Rusal hält – das ist der weltweit zweitgrößte Aluminium-Hersteller nach China. Die USA haben schon 2018 Sanktionen gegen den Oligarchen verhängt, doch Rusal wurde Monate später von der Trump-Administration wieder ausgenommen, nachdem der Aluminium-Markt extrem unter Druck gekommen und die Preise explodiert waren. Allerdings musste Deripaska seine Mehrheit an Rusal abgeben, das war die Bedingung der Amerikaner. Aluminium wird vielfältig eingesetzt. Europa ist da noch verwundbarer, die Abhängigkeit von Russland ist vielschichtig. Doch als Argument gegen Sanktionen gegen den Oligarchen dient das nur der Vernebelung, bei der die Regierung durch gespielte Ahnungslosigkeit mitmacht.