Routine-Tausch
Es gab konkret die Anfrage zu löschen und ob diese Daten dann auch unwiderruflich gelöscht sind. Der Grüne Landesrat Daniel Zadra, in Vorarlberg auch zuständig für die IT-Abteilung des Landes, erzählt, was ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner angesichts der mittlerweile laufenden Korruptionsermittlungen gegen seine Person getan hat. Ein Routine-Tausch, wollte das LH-Büro uns weismachen. Das ist schlicht nicht wahr. Wäre politische Verantwortung hierzulande eine Kategorie, dann würde Wallner heute als Ex-Landeshauptmann am ÖVP-Parteitag teilnehmen. So aber kommt der Event in Graz über ein bemühtes Hochamt einer von der Macht verformten Partei nicht hinaus.
Der Cheerleader des Teams Sebastian Kurz, Wolfgang Rosam, hat sein hartes Urteil schon gesprochen. Der Nach-Nachfolger könne es nicht: Die besten Berater können auch nur dort ansetzen, wo… ich will jetzt nicht sagen, dass der Karl Nehammer nicht die Persönlichkeit hätte. Aber er macht natürlich auch schwere Fehler. Der letzte Fehler mit der Wirtschafts-Aussage, die den Börseplatz Wien mehr als ins Wanken gebracht hat, was ihm viele ÖVP-Wähler vielleicht überhaupt nie verzeihen werden – das darf eigentlich nicht passieren. Abgesehen davon, dass der vermögende PR-Profi und Verleger in der Börsen-Frage sicher seine Eigeninteressen hat: Rosams Frontale gegen den Kanzler zeigt, wie sehr sie den Verlust des Stimmenbringers Kurz in der neuen alten Volkspartei immer noch nicht verkraftet haben.
Allein dass im Vorfeld des Parteitags darüber diskutiert worden ist, ob Kurz als abtretender Parteiobmann eine Rede halten oder nur vom Moderator auf der Bühne freundlich befragt werden wird, spricht Bände. Sonst hätte einer, der in Boulevard-Zeitungen jetzt schon x-fach erklärt hat, dass er seine Portion an Politik gehabt habe, dem neuen Parteichef womöglich die Show gestohlen. Der Kurz-Vertrauten Elisabeth Köstinger ist das schon Tage vorher bravourös gelungen. Köstinger, die als ÖVP-Generalsekretärin den ersten Wahlerfolg von Kurz 2017 mit einer Überschreitung der gesetzlichen Wahlkampfkosten-Obergrenze um fast das Doppelte erkauft hat und die auch nicht zögerte, für fünf Wochen Nationalratspräsidentin zu werden, nur um den Sessel in Kurzens Machtpoker für Wolfgang Sobotka warmzuhalten. Köstinger hat auch im Abgang keinen Zweifel gelassen, wo sie hingehört.
Die wirklichen Schwachstellen blieben
Nehammer war in Zugzwang, er wollte jetzt auch Margarete Schramböck schnell loswerden, für die sich im Herbst der Tiroler Landeshauptmann noch einmal auf die Schienen geworfen hatte. Der hatte keine andere Frau für den Job gefunden. Köstinger reißt also Schramböck mit, und es folgt eine Regierungsumbildung, über die Andreas Koller in den Salzburger Nachrichten geschrieben hat: Sie betrifft nicht die wirklichen Schwachstellen in der Regierung. Und das ist kein Wunder, denn peinlicherweise sind zwei der schwächeren Minister von Karl Nehammer höchstpersönlich geholt worden. Nämlich Innenminister Gerhard Karner, der in seinem bedeutungsarmen Amt als Zweiter Landtagspräsident von Niederösterreich zweifellos besser aufgehoben war. Und Bildungsminister Martin Polaschek, bei dem nicht klar ist, was er besser kann als Heinz Faßmann.
Karner und Polaschek sind gleichzeitig der beste Beweis dafür, dass der alte Bünde- und vor allem der Länderproporz in der ÖVP wieder zurück sind. Niederösterreich und Steiermark haben bei diesen Personalien den Ausschlag gegeben, auch wenn sich Karl Nehammer – der letztendlich immer noch der brave Parteisoldat ist – aus der Nummer gerne herauslavieren möchte. Norbert Totschnig ist neuer Landwirtschaftsminister, weil der Bauernbund bestimmt, wer dieses Amt übernimmt. Florian Tursky ist nicht neuer Digital-Staatssekretär, weil er ein Jahr lang erfolglos versucht hat, mit 3D-Fotografie ein Geschäft zu machen, sondern weil er Büroleiter von Günther Platter war, der jetzt also doch noch wen gefunden hat. Und die Wirtschaftskämmererin Susanne Kraus-Winkler steht nicht mehr als Lobbyistin vor dem Ministerium auf der Matte, sondern sitzt als Staatssekretärin im Büro drinnen.
Schleichender Abgang, schleichendes Gift
Ein Routine-Tausch sozusagen. Und dass Nehammer den loyalen Parteifreien Martin Kocher zum Arbeits- und Wirtschaftsminister gemacht hat, macht das Gesamtbild auch nicht runder. Dass erst mit dieser Aufwertung Kochers Strategien für den Standort aus einem Guss gemacht werden können, wie die Industriellenvereinigung bejubelt, kann ja nicht ernstgemeint sein. Man fragt sich, warum sich Nehammer – der ja angeblich mit dem Links-Rechts-Schema ohnehin nichts anfangen kann und aus dem ÖAAB, also dem Arbeitnehmerflügel der ÖVP, kommt – da nichts Kreativeres einfallen hat lassen. Kocher Wirtschaftsminister und einer wie AMS-Chef Johannes Kopf als Arbeitsminister, das wäre doch ein Gespann. Aber vielleicht hatte Nehammer eh Großes vor, das ihm die Kurz-Partie im schleichenden Abgang verhagelt hat.
Dass der neue ÖVP-Obmann einen klaren Schnitt zur Episode Kurz unterlassen hat, rächt sich. Der schleichende Abgang ist wie schleichendes Gift. Und dass er das nicht versteht, hat Nehammer mit seiner Antwort auf die Frage der Tiroler Tageszeitung dokumentiert, warum er sich nie bei seinem Vor-Vorgänger Reinhold Mitterlehner für den innerparteilichen Putsch mit korruptiven Methoden entschuldigt habe: Ich verstehe die Frage nicht. Wofür sollte ich mich entschuldigen? Mitterlehner bleibt dem Parteitag konsequenterweise fern. Und so wie Nehammer kann wirklich nur einer fragen, der die Zusammenhänge nicht sehen kann oder will. Einer, der zur Inseratenaffäre der ÖVP Vorarlberg und der offensichtlichen Mitwisser-Rolle von Landeshauptmann Wallner ernsthaft sagt: Ich kenne jetzt im Detail den Fall nicht.
Grüß Gott, du Machterhalts-Hoffnung
Und so wird ein Obmannwechsel, in den die wieder bei 20 Prozent in den Umfragen grundelnde ÖVP die letzte Machterhalts-Hoffnung setzt, zum Routine-Tausch – mit all den Konnotationen, die da neuerdings sauber mitschwingen. So genial kann eine Parteitags-Rede nicht sein, um zu übertünchen, dass die Hausaufgaben nicht nur nicht gemacht, sondern einfach ignoriert worden sind. Sollten wider Erwarten Wahlen über uns hereinbrechen, könnte die Volkspartei derzeit als Slogan nicht viel mehr als „Grüß Gott“ auf die Plakate schreiben. Das liest man bei Christian Nusser und wie traurig und wahr kann etwas sein.
Update: Die Nehammer-Rede war weit davon entfernt, genial zu sein. Opferrolle, Beschönigen, Relativieren. Keinerlei Perspektiven und dafür 100 Prozent Zustimmung. Ein fast schon berührender Akt der Verzweiflung.
2 Gedanken zu „Routine-Tausch“
… wie immer auf den Punkt gebracht!
Freut mich danke!