In keinster Weise
Da sind wir in einer Abneigungsdebatte, die man nur überwinden kann, wenn man zuhört und den Kritikern Raum lässt, um das Vertrauen zurückzugewinnen. Das sagte ÖVP-Grandseigneur Hermann Schützenhöfer in einem Presse-Interview. Es ging um die Bundesregierung und warum die nicht vom Fleck komme. Abneigungsdebatte ist ein ähnlich seltsames Wort wie Kleinbeträge in Zusammenhang mit der Vorarlberger ÖVP-Finanzierungsaffäre, und es passt perfekt zur Phrase: In keinster Weise – mit der die ÖVP-Generalsekretärin schon inflationär beweist, dass die Kanzlerpartei einfach gar nichts verstanden hat. Rote Bastionen in den Ländern tun es ihr gleich, die Republik versachslehnert zusehends.
Dreimal hat Laura Sachslehner in einem Ö1-Interview ihre auch von der Rechtschreibung her zweifelhafte Formulierung verwendet. Es ging um parallele Vereinsstrukturen der Bünde als Teilorganisationen der Volkspartei, über die öffentliche Förder- und Inseratengelder lukriert worden sind. Die Generalsekretärin versicherte also, es seien öffentliche Mittel aus den Parallelvereinen der Partei in keinster Art und Weise irgendwie für Parteiarbeit verwendet worden. Obwohl allein der Seniorenbund Oberösterreich zwei Millionen Euro aus der Corona-Hilfe kassiert hat und dort laut Obmann Josef Pühringer die Grenze zwischen Verein und Partei durchlässig sei: Im Wahlkampf kann sich das schon mal ein bisschen vermischen.
Wo Parteispenden nie ein Problem waren
Der Alt-Landeshauptmann muss es wissen, war es doch auch Pühringer, der in Sachen Parteispenden schon vor Jahren unbekümmert Klartext geredet hat: Wir haben das Problem mit Parteispenden generell nicht. Wer uns unterstützen will, kann im Volksblatt inserieren. Das Volksblatt ist die Parteizeitung. Auch eine parallele Struktur. Und über diese Struktur wird die aus dem Steuertopf bereits reichlich unterstützte Landes-ÖVP über Inserate des Landes und von Landesunternehmen noch einmal mit öffentlichen Geldern unterstützt. Das ist in Oberösterreich ganz offen so, in Niederösterreich arbeitet die Landeshauptfrau-Partei ÖVP etwas subtiler, wobei sie das System alles andere als subtil verteidigt. Und in Wien spielt die Bürgermeister-Partei SPÖ nahezu perfekt auf dieser Klaviatur.
Das Narrativ, das der ÖVP keiner glaubt
Parteinahe Verlage, gemeinnützige Vereine, seltsame Medienprodukte und dreiste Firmenkonstrukte – alles Vehikel, um öffentliche Gelder auf die eine oder andere Art wieder Parteien zugute kommen zu lassen. Was der untalentierte Herr Strache auf Ibiza so plump angesprochen hat, ist ober und unter der Enns, in Vorarlberg und in der Bundeshauptstadt gang und gäbe. Und Hermann Schützenhöfer spricht von einer Abneigungsdebatte, gerade dass er nicht von Hate Speech spricht. Die Volkspartei gefällt sich ja gern in der Rolle des Opfers von Leuten, die früher Sebastian Kurz gehasst haben und heute Laura Sachslehner im Netz mobben. Das gibt es zwar auch, und das ist abzulehnen. Gleiches gilt allerdings für die Täter-Opfer-Umkehr, die mit diesem Narrativ einhergeht. Die ÖVP ist in der Frage politischer Sauberkeit komplett neben der Spur, in Vorarlberg steht ähnlich wie im Fall Kurz sogar der Verdacht der Inseratenkorruption im Raum. Beide Male ermittelt die WKStA.
Der smarte Herrscher von Burgenland
Der im Burgenland absolut regierende SPÖ-Landeshauptmann geht es unverfänglicher an: Hans Peter Doskozil baut sich eine smarte Landesholding, die nicht zum Schaden der Regierungspartei sein wird. Eine Tochtergesellschaft ist die Kommunikation Burgenland, die das medial arme Land aber medial nur scheinbar reicher macht. Die Agentur gibt ein neues Magazin heraus und hat auch sonst viel vor. Zitat von der Homepage: Eine wesentliche Säule der Informationsbeschaffung und Themenfindung für die „Medienwelt Mein Burgenland“ ist der monatlich stattfindende „Burgenland Newsroom“. Das ist eine Redaktionssitzung, die unter dem Vorsitz der Redaktion von „Mein Burgenland“ mit Vertretern des Landes und der Töchter der Landesholding dementsprechende Geschichten mit informativem Mehrwert für die Menschen im Burgenland sammelt, aufbereitet und entwickelt. Diese werden anschließend auf die diversen Kanäle verteilt und crossmedial vernetzt. Erschreckende neue Medienwelt.
In der Ausgabe 01/2022 kommt der Landeshauptmann in der Rubrik Bildlich gesprochen dreimal zu Wort, ohne etwas zu sagen. Drei Bilder sagen bekanntlich mehr als dreitausend Worte, und das sogenannte Kopfverbot aus dem Medientransparenzgesetz – es verbietet öffentliche Inserate mit dem Konterfei des Politikers, der es schalten lässt – muss einen Doskozil nicht kümmern, der einen eigenen Burgenland-Newsroom hat, von dem er sich redaktionell abfeiern lassen kann. Da verblasst jene Nostalgie-Ausgabe der Burgenländischen Freiheit aber so richtig, die ebenfalls als Jubel-Nummer für den Landeshauptmann ausgelegt war und – Überraschung – über einen SPÖ-nahen Verein realisiert worden ist.
Die Wiener Genossen und das große Rad
Das kleine rote Burgenland hat sich vom großen roten Wien schon ein bisschen was abgeschaut. Auf Kritik reagieren sie ähnlich allergisch wie die Genossen, die mit der Stadtwerke Holding und der Wien Holding das ganz große Inseraten- und PR-Rad drehen. Und was das Kopfverbot für Politiker betrifft, da hat der Wiener Bürgermeister für die Umgehung großkoalitionäre Freunde und immer eine schicke Erklärung – wie die aktuelle Diversitäts-Kampagne, die offiziell – sprich: im für das Medientransparenzgesetz relevanten Impressum – von der Wirtschaftskammer Wien getragen wird. Also formal nicht von der Stadtpolitik. Würde man Michael Ludwig auf diesen Missbrauch ansprechen und ihn fragen, ob das nicht ein solcher sei und ein dreister obendrein, dann würde ihm hundertprozentig eine original Sachslehner entschlüpfen: In keinster Weise!
So sportlich, wie sich ihr Vorsitzender im Inseraten-Sujet gibt, nimmt die Wiener SPÖ die Sache mit der Transparenz seit jeher. Daran sind schon die Grünen als Koalitionspartner verzweifelt, jetzt mühen sich die NEOS als kleiner Partner ab, die auch noch mit dem Amt des Transparenz-Stadtrats gestraft sind. Wenn die MA 48 zwei Millionen Euro pro Jahr für PR und Werbung ausgibt, wie der Stadtrechnungshof aufgezeigt hat, dann kann der pinke Vizebürgermeister zwar nichts machen, muss aber alle Fragen dazu beantworten. Christoph Wiederkehr muss es letztlich auch sportlich nehmen, und vielleicht gelingt ihm ja einmal ein Coup wie dem Sportminister, der den ÖVP-Seniorenbund wegen des zweifelhaften Kassierens von Corona-Millionen in schwere Erklärungsnot gebracht hat. Werner Kogler ist für den NPO-Fonds zuständig, die NEOS haben ihm mit einer Anfrage brisante Informationen entlockt.
Beim Non Profit werden viele sportlich
Und schon tauchen weitere Ungereimtheiten auf, etwa dass der Styria Verlag – das zweitgrößte private Medienhaus Österreichs mit Kleine Zeitung und Die Presse – ebenfalls Gelder aus dem NPO-Fonds bezogen hat, was der Kleine-Chefredakteur hier mit der gemeinnützigen kirchlichen Stiftung als Eigentümer erklärt. Und die Tiroler Tageszeitung berichtet von Unterstützungsgeldern aus dem Gemeinnützigen-Fonds für eine Tochterfirma des Österreichischen Skiverbandes, die eine Skiakademie am Arlberg führt und die Gemeinnützigkeit mit Ausbildungstätigkeit begründet. Der alles andere als non profitable ÖSV ist übrigens per se eine Non Profit Organisation: Gemäß der Satzung des Österreichischen Skiverbandes ist die Tätigkeit des ÖSV nicht auf Gewinn ausgerichtet, sondern auf die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke, heißt es auf der Website.
Der Turm in der Abwehrschlacht bröckelt
Womit sich paradoxerweise der Kreis zu Laura Sachslehner schließt. Nicht deswegen, weil die ÖVP-Generalsekretärin ihren Job auch sehr sportlich zu sehen scheint und in der Defensive wankt wie ein bröckelnder Turm – sondern weil sie es mit der Gemeinnützigkeit auch nicht so genau nimmt. In schöner schwarz-grüner Eintracht hat sie den Ball von Werner Kogler aufgenommen, dem nach sage und schreibe fünf Wochen (!) ein Zitat zur Teuerung um die Ohren gehauen wurde – Kogler hatte SPÖ und FPÖ sowie dem Boulevard vorgeworfen, in Sachen Inflation eine Hysterie anzuzünden. Sachslehner hat auf die Frage, was sie von einer Inflationsanpassung bei den Sozialleistungen hält (wie von Wifo-Chef Gabriel Felbermayr dringend angeregt), ganz aktuell das geantwortet: Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir die Menschen mit den Teuerungen nicht alleine lassen und dass wir sie natürlich entlasten. In diese konkrete Richtung ist aber nichts geplant. Um nicht zu sagen: in keinster Art und Weise.
Ein Gedanke zu „In keinster Weise“
Und wieder:
Perfekt auf den Punkt gebracht!
Wann wohl “versachslehnert” im Österreichischen Wörterbuch aufgenommen wird?
Oder wird’s gar das (Un)wort des Jahres 2022?