Sebastian Will
Am Ende ging es bei Anne Will dann nur noch um Sebastian Kurz. Der ungarische Botschafter in Deutschland hing sowieso an seinen Lippen, der Grüne Cem Özdemir konnte vor lauter Gemeinsamkeiten die parteipolitischen Gegensätze nicht mehr erkennen. Und die Islamwissenschafterin kochte der ÖVP-Star mit dem neuen Islamgesetz und einem Rückgriff auf die Monarchie ein, die den Islam schon 1912 als Religion anerkannt hatte. Einzig Kollegin Cathrin Kahlweit von der Süddeutschen Zeitung verzweifelte an der One-Man-Show. Sebastian Will. So im wahrsten Sinne blendend wie er macht das keiner.
Der Außenminister, der auch Integrationsminister ist, war am Sonntag schon zum zweiten Mal in der ARD-Sendung zu Gast. Bereits im März hat Sebastian Kurz dort brilliert und unter anderem den deutschen Justizminister Heiko Maas von der SPD alt aussehen lassen. Absoluter Buhmann war in jener Sendung aber der slowakische Europa-Abgeordnete Richard Sulik, der von Anne Will & Im Zentrum gern eingeladen wird, weil er gut Deutsch spricht und provoziert. Denn inhaltlich ist Sulik hardcore, er vertritt die Linie der Visegrád-Gruppe ziemlich ungeschminkt.
Streichelweicher Visegrád-Unterstützer
Sebastian Kurz ist das genaue Gegenteil. Er hat bei Anne Will zwar Partei für Viktor Orban & Visegrád ergriffen, aber streichelweich und elegant: Indem gleich seine erste Bemerkung berechtigte Kritik in Richtung Moderatorin war, dass sie zwar das nicht ausreichende Quorum des ungarischen Referendums über verpflichtende Asylwerber-Quoten berichtet habe. Aber nicht das Ergebnis: mehr als 98 Prozent der Ungarn, die abgestimmt haben, waren dagegen. Orban inszeniert sich als moralischer Sieger, und Kurz unterstützt ihn indirekt. Kein kritisches Wort zu den islamfeindlichen Aussagen des ungarischen Premiers, die in die Sendung eingespielt wurden.
Straches Werk & des Jungstars Beitrag
Sebastian Kurz weiß, an welchen Stellen man schweigen oder ablenken muss. Die Islamfeindlichkeit, das ist ein Punkt, in dem sich der ÖVP-Politiker von den rechten Populisten unterscheiden will. Das tut er zweifellos. Aber er will es sich auch nicht mit der freiheitlichen Klientel verscherzen. Mit solchen Kumpaneien leistet Kurz seinen Beitrag zur feindseligen Stimmung gegen Moslems, auch wenn er das gar nicht gern hört. Wann ist der Integrationsminister einmal aufgestanden und hat laut protestiert, wenn die FPÖ wie so oft eine dubiose Islam-Geschichte verbreitet hat? Wo blieb die Replik des Außenministers, als die Freiheitlichen mit einem Festakt samt Parteichef Strache 333 Jahre Ende der Türkenbelagerung gefeiert haben?
Umarmung für die Grünen & für die Blauen
Kurz sagte zu Cem Özdemir, er habe als Bürgerlicher kein Problem mit den Grünen. So wie er auch mit der FPÖ kein Problem habe. Man müsse viel mehr zusammenhalten. Eine Losung, die für die Regierungszusammenarbeit mit der SPÖ ja nicht so gilt. Das fängt ganz oben an, wo sich der ÖVP-Jungstar mit dem neuen SPÖ-Superstar Christian Kern matcht. Der Kanzler macht eine Flüchtlingskonferenz mit Angela Merkel & den Balkanstaaten in Wien und lässt den Außenminister außen vor. Der wiederum schießt ausgerechnet am Tag des Ungarn-Referendums eine Breitseite gegen Merkel, weil die den Beschluss über die Verteilung von 160.000 Asylwerbern in der EU befolgen will. Kurz will Resettlement – und Relocation nur auf einsame Inseln. Vorbild Australien.
Die Mär von der Hilfe in den Krisenregionen
Der Außenminister tritt auch immer wieder für Hilfe in den Krisenregionen ein, weil das kostengünstiger und für Flüchtlinge ungefährlicher sei. Doch das ist und bleibt vor allem ein Lippenbekenntnis. Österreich hat, nachdem es geringe Millionenbeträge für das World Food Programme monatelang unnötig blockiert hatte, die Hilfsgelder zwar aufgestockt. Doch von den Dimensionen, die andere Länder zur Verfügung stellen, sind wir, deren Außenminister am lautesten schreit, weit entfernt. Ganz abgesehen davon, dass Sebastian Kurz als Integrationsminister zwar Ende Juni ein Integrationspaket mit SPÖ-Staatssekretärin Muna Duzdar präsentiert hat – doch die zentrale Frage, wie Asylwerber Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen sollen, wird bis heute zerredet.
Lieber die große Bühne als würdeloses Hickhack
Kurz hält sich da heraus, das kann er formal. Denn er ist nicht ressortzuständig. Und es gibt da auch nicht so viel zu gewinnen wie mit Auftritten bei Anne Will. Mit dem jüngsten Auftritt hat sich der ÖVP-Minister für viele Beobachter endgültig den Platz an der Spitze der Volkspartei gesichert. Geradezu rührend lesen sich da Wahlkampf-Planspiele, die immer noch von einem Spitzenkandidaten Reinhold Mitterlehner ausgehen. Mutmacher gegen Angstmacher. Diesen Slogan haben sich die Werber für ein Duell Mitterlehner gegen SPÖ-Chef Christian Kern einfallen lassen. Als ob das das Duell wäre, um das es dann gehen wird. Selbst ÖVP-Generalsekretär Werner Amon hat am Samstag im Ö1-Interview gesagt: Kurz als Spitzenkandidat ist eine Möglichkeit.
Die letzten Zweifel – auch genährt von Kurz selber, der natürlich weiß, dass diese ÖVP von der Struktur her unreformierbar ist – sind ausgeräumt. Die ÖVP braucht Sebastian Kurz, und der hat längst eine Bühne, die er nicht mehr missen möchte. Sein Auftritt bei Anne Will war hochprofessionell. Seine Botschaft über die Bande: Sebastian will.
3 Gedanken zu „Sebastian Will“
Na ja, das ergibt also Vizekanzler unter Strache bei der nächsten Gelegenheit.
meinungsforscher fragen jedenfalls schon seit 14 tage die varianten ‘övp mit kurz’ und ‘övp mit mitterlehner’ gegen die ‘spö mit kern’ ab. über die auftraggeber darf gemutmaßt werden.
Hat dies auf akinblog rebloggt.