La La Land
Wenn Wolfgang Sobotka die ärgsten Sachen sagt, hat er immer ein süffisantes Lächeln im Gesicht. Wird die auf 17.000 Verfahren halbierte Obergrenze überschritten, wie sie die ÖVP durchsetzen will, dann sollen die Asylwerber in Anhaltelager kommen. Einsperren wollte Sobotka das in der ZIB2 nicht nennen: Sie können sich ja frei bewegen, aber nur in eine Richtung: heimwärts. Und die Erwin-Pröll-Stiftung ohne Projekt, die er als Finanzlandesrat mit 300.000 Euro Steuergeld und von ihm so genannten Vorratsbeschlüssen über eine weitere Million bedient hat, verteidigt der Niederösterreicher Sobotka ebenso süffisant. Man schaut zu und fragt sich: Wer hat in dieser Zeit der großen Pläne wirklich einen Plan?
Einer, der viele Monate gebraucht hat, um eine simple Liste von gemeinnützigen Tätigkeiten von Asylwerbern zu erstellen, und dessen Partei das Verschleierungsverbot und die Kopftuchdebatte stärker betont als rasche und praktikable Maßnahmen zur Förderung der Integration – dieser Wolfgang Sobotka beklagt heute, dass man voriges Jahr noch nicht wissen habe können, dass das mit der Integration so schwierig werden würde. Deshalb jetzt runter mit der Obergrenze auf 17.000 Asylverfahren. Da kann nicht einmal Christian Kerns rechte Faust mehr mit. Wenn Hans Peter Doskozil an der Sinnhaftigkeit einer Restriktion zweifelt, dann muss sie zweifelhaft sein.
Asyl-Obergrenze, der Fluch auf dieser Koalition
Böse Zungen unterstellen ja, die neuerliche Obergrenzen-Debatte – die wie ein Fluch auf dieser Koalition lastet – sei einzig und allein dem Bestreben der ÖVP-Spitze entsprungen, dem Kanzler bei seinem Auftritt in Wels die Show zu verderben. Da hat Kern seinen Plan A vorgestellt, der mittlerweile rauf und runter analysiert worden ist. Und man hat den Eindruck, niemand ist so richtig schlau daraus geworden. Geblieben ist, dass der SPÖ-Chef das Wahlrecht ändern möchte, damit er leichter eine Mehrheit zur Umsetzung seines Plans kriegt. Der frühere ÖVP-Föderalismusminister und langjährige Parlamentarier Jürgen Weiss hat dazu in den Vorarlberger Nachrichten geschrieben: Das ähnelt einer Fußballmannschaft, die für ihren schlechten Tabellenplatz die Spielregeln verantwortlich macht. Auch süffisant, aber wahr.
Wir fliegen nicht auf den Mond, wir spielen nur
Jürgen Weiss versteht etwas von dem Bohren harter Bretter, das sich der Kanzler mit dem Mehrheitswahlrecht lieber ersparen würde. Weiss war federführend bei den Verhandlungen über das Perchtoldsdorfer Paktum beteiligt, das ein Schritt zu einer großen Bundesstaatsreform hätte werden können – aber von den Ländern am Ende aufgekündigt wurde. Jedem seine Show. Damals wie heute. Wenn etwa die letzten Landesfürsten Erwin Pröll, Michael Häupl & Josef Pühringer sich im Zuge einer Ordensverleihung in Graz einen schönen Tag machen. Und in einer unfassbaren Aufmachung – der Schladminger mit Hut könnte auch als wenig dezenter Hinweis auf das Politversagen bei der Ski-WM 2013 gelesen werden – ein weiteres Stück Polit-Realsatire schreiben. Wir fliegen nicht auf den Mond, wir spielen La La Land.
Ok, ok Franz Viehböck war FAST am Mond…
— Christian Kern (@KernChri) January 15, 2017
Der Kanzler hat ja in seiner Show in der Welser Elbphilharmonie mit Rundum-Publikum so oft von Moon-Shots gesprochen, dass ihm in der ORF-Pressestunde am Sonntag eine fast schon rührende Fehlleistung passiert ist: Mit Franz Viehböck hätten wir doch schon einen Österreicher auf dem Mond gehabt, verkündete Christian Kern. Keiner im Studio widersprach und klärte die Peinlichkeit auf. Dass uns die NASA ausgerechnet am Tag danach die Nachricht überbrachte, dass mit Eugene Cernan der letzte Mann auf dem Mond 82-jährig gestorben ist, war aber reiner Zufall. Kern kann nichts dafür.
Die handstreichartige Umsetzung des A-Plans
Der SPÖ-Vorsitzende hat es aber sehr wohl in der Hand, ob aus seinem großen Plan etwas wird. Ob es wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, der ÖVP gleich einmal zwei Punkte zur sofortigen Beschlussfassung im Ministerrat zu übermitteln, muss man hinterfragen. Weg mit dem Selbstbehalt von Selbstständigen beim Arztbesuch sowie Erleichterungen bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für kleine und mittlere Betriebe – da kann die ÖVP eigentlich nicht dagegen sein. Aber auf diese Art führt Kern den Koalitionspartner vor. Selbst wenn er einen punktuellen Erfolg schaffen würde und die ersten Punkte aus seinem Plan quasi handstreichartig umsetzen könnte, bliebe bei der ÖVP ein schaler Nachgeschmack.
Finanzminister Hans Jörg Schelling hat in seiner Reform-Rede ja schon ausreichend klargemacht, was er vom Gute-Laune-Plan des Kanzlers hält. Alphatiere kommen sich ins Gehege. Schelling hätte die Abschaffung der Kalten Progression für den Ministerrat im Angebot – auf die man sich monatelang nicht einigen hat können. Am Ende kommt es dann zum Eklat oder zu anderen Peinlichkeiten. Wir erinnern uns an den Kuhhandel um den Pensionisten-Hunderter und den Sozialversicherungs-Rabatt auch für Großbauern. Die ÖVP hat dabei frisch & fröhlich mitgemacht, aber es bis heute nicht verwunden. Satte 200 Millionen Euro hat allein der Pensionisten-Hunderter gekostet.
Die Scharfmacher sind schon längst in Stellung
SPÖ. Pensionisten. Wahlkampf. Hier schließt sich der Kreis mit einem süffisanten Lächeln. Es ist wieder Wolfgang Sobotka, der sich als Scharfmacher in wahltaktischen Dingen betätigt. Seltsame Gerüchte aus der ÖVP-Ecke über Dirty Campaigning der SPÖ, die man durch deren Veröffentlichung genauso gut als Dirty Campaigning der ÖVP sehen könnte. Der für die SPÖ tätige Wahlkampf-Guru Tal Silberstein soll im Vorleben der ÖVP-Wunderwaffe Sebastian Kurz herumstochern, was die SPÖ bestreitet. Die ÖVP wiederum verbreitet mit Genuss Informationen aus dubiosen Quellen über Silberstein. Es gibt gar eine parlamentarische Anfrage der ÖVP, die sich auf die FPÖ-nahe, schwer tendenziöse Plattform unzensuriert.at stützt.
Sebastian Kurz, eine Privatstiftung sui generis
Mit derartigem Material macht Obergrenzen-Guru Wolfgang Sobotka den Raum für die Koalition noch einmal enger. Sebastian Kurz ist Schützling von Erwin Pröll, und daher gilt es, Kurz mindestens so heftig zu verteidigen wie die umstrittene gemeinnützige Privatstiftung des Landeschefs. Plan A hin, Neustart her. Kalt lächelnd.