Peanuts-Packerl
Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass SPÖ und ÖVP in zentralen Fragen der Demokratiepolitik nichts Weltbewegendes zustande bringen, dann läge der jetzt in Form des sogenannten Demokratiepakets vor. Es hat keinen Beweis gebraucht. Im Verfassungsausschuss des Parlaments dämmert schon länger das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz vor sich hin, besser gesagt: der Entwurf für ein solches Gesetz. Und ob dieses Gesetz so bald in Kraft tritt, ist fraglich. Das Amtsgeheimnis lastet weiter bleiern auf dem Land. Und das Demokratiepaket wird die Verfassung vielleicht entstauben, aber nicht durchlüften.
Bezeichnend ist, dass die Koalitionsparteien eine Beschneidung der Rechte des Bundespräsidenten ganz oben auf ihre Liste gesetzt haben. Von der Ernennung von Beamten über die Beurkundung des verfassungsgemäßen Zustandekommens von Gesetzen bis hin zum eigentlichen Knackpunkt – dem Recht des Bundespräsidenten, auf Antrag der Bundesregierung den Nationalrat aufzulösen und damit Neuwahlen auszulösen. Da steht alles drin, was gut und teuer ist. Es reformiert sich ja gleich viel leichter, wenn man nicht selber betroffen ist. Wir werden sehen, ob der Amtsinhaber – er hat bekanntlich grüne politische Wurzeln – das auch alles so locker nimmt.
Rechnung ohne Opposition & Bundespräsident
Die Opposition nimmt es den Regierungsfraktionen jedenfalls krumm, dass sie mit einem sogenannten Demokratiepaket überfahren wird – wo das doch zumindest mit Teilen der Opposition anders ausgemacht war. Auf Basis eines Entschließungsantrags wurde schon im Juni 2016 mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und Neos ein Unterausschuss des Verfassungsausschusses eingesetzt, der sich mit der Neuordnung der Rechte des Bundespräsidenten befassen soll. Wenn der Ausschuss seit fast acht Monaten noch kein einziges Mal zusammengetreten ist und Rot-Schwarz jetzt ihre Vorgaben hinknallen, dann braucht man sich nicht über böses Blut wundern.
Schnellschuss übertrumpft das ganze Paket
Das Ganze zeigt ja auch plastisch, wie eilig es die Koalition mit demokratiepolitischen Reformen hat. Wobei man ihr einen, den lange nachwirkenden Schrecksekunden des never-ending Bundespräsidenten-Wahljahrs geschuldeten Lichtblick zugestehen muss: Noch im November hat der Nationalrat die Schaffung eines zentralen Wählerregisters beschlossen – und die Möglichkeit, dass Volksbegehren künftig auch außerhalb der Heimatgemeinde auf dem Gemeindeamt unterschrieben und überdies online mittels Bürgerkarte unterstützt werden können. Das ist schon mehr als zum Thema Wahlrecht im sogenannten Demokratiepaket drinnen steht. Sinnvolle Punkte, mag sein. Aber alles andere als eine Weiterentwicklung, die dringend nottäte.
Faules Vorzugsstimmensystem bleibt tabu
Wie das aussehen könnte, hat Moritz Moser in der Online-Zeitung NZZ.at wunderbar auf den Punkt gebracht. Pragmatisch angelegt, käme es dennoch einer Revolution gleich, würden sich Rot und Schwarz da drüber trauen: Das schon einmal reformierte, aber immer noch untaugliche Vorzugsstimmensystem sollte dem Südtiroler Modell nachempfunden werden, wo ausschließlich die erzielten Vorzugsstimmen über die Reihung der Kandidaten auf den Listen – und damit über die Vergabe der Mandate entscheiden. Und: die im dritten Ermittlungsverfahren auf Bundesebene vergebenen Mandate sollten massiv aufgewertet werden, und zwar vor allem zu Lasten des zweiten Ermittlungsverfahrens auf Landesebene.
Lohnendes Ziel: Vetomacht der Länder brechen
Das klingt technisch, würde aber nicht mehr und nicht weniger bewirken als eine Zurückdrängung der Vetomacht der Länder auf Bundesebene. Zitat Moritz Moser: Die Maßnahmen würden dazu beitragen, dass im Nationalrat wieder Bundespolitik gemacht wird und die Bundesregierung nicht zum Endlager für ausgediente Landesräte verkommt. Das wäre ein lohnenderes Ziel als alle Spekulationen über die Schaffung eines Mehrheitswahlrechts, von dem offenbar weder Rot noch Schwarz eine klare Vorstellung haben. Geschweige denn eine Zweidrittelmehrheit dafür. Zum Glück gibt es die Einrichtung der Parlamentarischen Enquete, eine höhere Diskutierrunde. Die darf sich jetzt damit befassen.
Und einmal mehr: So οχι sind wir
Herauskommen wird garantiert nichts. Wir erinnern an ein anderes Demokratiepaket, das ein halbes Jahr lang sogar in einer Enquetekommission beraten worden ist. Mitte 2015 haben die Verfassungssprecher von SPÖ und ÖVP, die immer noch in Amt und Würden sind, das Paket zu Grabe getragen. Es hätte zwingende Volksbefragungen nach erfolgreichen Volksbegehren bringen sollen, aber sie haben sich nicht getraut. Es war die Zeit der Referenden in Griechenland, und der Radioblog hat damals getitelt: So οχι sind wir. Ein Dokument der Mutlosigkeit, das hier seine Neuauflage findet.
Ceterum censeo, dass wenigstens das Amtsgeheimnis abgeschafft gehört.