Sisters Act
Ein Bundespräsident, der elf lange Jahre Parteichef der Grünen war. Sein Kopftuch-Sager erinnert daran. Sechs hübsche Länder-Koalitionen, bevor der schwarz-blaue Machthunger die in Linz gefrühstückt hat. Manche weniger hübschen Vorkommnisse, zuletzt auch auf Bundesebene, wo der Hinauswurf der Jungen Grünen durch die Parteispitze nur den Gipfelpunkt darstellte. Quertreiber, die ihre Gründe und Namen haben, wie Peter Pilz und Efgani Dönmez. Und Eva Glawischnig, erfolgreichste Grünen-Chefin aller Zeiten, die nicht mehr konnte und wollte. Die auch vor einer Doppelspitze gewarnt hat. Jetzt gibt es eine.
Wann hat es das schon gegeben: Als die zurückgetretene Bundessprecherin der Grünen diese Woche beim Bundespräsidenten auftauchte, der mit den Chefs der Oppositionsparteien die Lage besprechen wollte, da begrüßten sich Eva Glawischnig und Alexander van der Bellen freundschaftlich-innig. Bussi-Bussi mit dem Präsidenten. Warum auch nicht. Schließlich waren die beiden WeggefährtInnen, über Jahrzehnte an der Spitze die Grünen Partei, haben gemeinsam Wahlerfolge gefeiert. Am Ende auch den Einzug in die Hofburg. Das war Glawischnigs Werk – und das Polit-Establishment leistete am Ende seinen Beitrag. Nolens volens. Nachdem Norbert Gerwald Hofer den ersten Durchgang der Bundespräsidenten-Wahl krachend gewonnen hatte.
Der Preis für den Erhalt der Hegemonie
Die Vorherrschaft der Etablierten – Hofer hat sie Schickeria geschimpft – war plötzlich ernsthaft in Gefahr, und die Grünen mit Glawischnig an der Spitze und dem attraktiven Kandidaten Van der Bellen an der Hand halfen entscheidend mit, sie zu verteidigen. Jetzt zahlen sie den Preis für die Hegemonie, die sie mit-erhalten haben. Ein Jahr lang haben die Grünen stillgehalten und sich selbst verleugnet, um das Projekt Hofburg nicht zu gefährden. Der Kommunikationsprofi Lothar Lockl und der Spitzenwerber Martin Radjaby haben Van der Bellen in die Hofburg getragen, die Partei stand im Schatten. Bald nach der erfolgreichen Mission hat sich Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner verabschiedet, der den Grünen eine Corporate Identity verpasst hatte.
Professionalisiert, aber im Bund Ziel verfehlt
In Glawischnigs Zeit haben sich die Grünen professionalisiert. Die Wahlerfolge im Bund und auch in den Ländern – 20 Prozent in Salzburg, 17 Prozent in Vorarlberg – sprechen eine deutliche Sprache, auch wenn Sondereffekte wie der finanzskandal-bedingte Absturz der SPÖ in Salzburg eine Rolle gespielt haben. Und die Grünen sind auch zur Regierungspartei geworden, allerdings nur in den Ländern. Viermal mit der ÖVP, einmal mit der SPÖ, einmal mit SPÖ & ÖVP. Sechsmal also Regierungsbeteiligungen der FPÖ verhindert, in Oberösterreich war es 2015 damit vorbei. Dort regiert heute Schwarz-Blau, FPÖ-Landesvize Manfred Haimbuchner ist eine Edelreserve für höhere Aufgaben. Und im Burgenland werkt seit 2015 Rot-Blau – Grün ist ein Nullum im Machtspiel.
Leben lassen & nicht aufmucken in den Ländern
Auch in den Landesregierungen haben die Grünen also vor allem zur Erhaltung der Hegemonie beigetragen. Die designierte Bundessprecherin Ingrid Felipe etwa ist in Tirol Stellvertreterin von ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter. Sie hat dem früheren Verteidigungs- und Innenminister geholfen, sich im schönen, aber erzkonservativen Land Tirol neu zu erfinden. Kein Mensch hätte vor 2013 geglaubt, dass die ÖVP dort mit den Grünen koalieren könnte. Jetzt regieren sie vier Jahre nach dem Motto leben & leben lassen. Die Grünen setzen tolle Sachen beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs durch, machen aber keine großen Wellen, wenn es für die ÖVP unangenehm wäre.
Lunacek holt für Felipe Kastanien aus dem Feuer
Die Fortsetzung von Schwarz-Grün über 2018 hinaus ist Felipes erklärtes Ziel. Das war auch einer der Gründe, die sie nach ihren Angaben bewogen haben, nicht Parteichefin und zugleich Spitzenkandidatin zu werden. Maßgeblicher wird wohl gewesen sein, dass die Partei Felipe nicht ins Feuer schicken wollte, weil sie Gefahr gelaufen wäre, darin zu verbrennen. Das wird ein extrem heißer Wahlkampf, und da können die einschlägigen Erfahrungen der Ulrike Lunacek nicht schaden – sie hat immerhin bei der Europawahl 2014 das historisch beste Ergebnis der Grünen bundesweit geholt, mit 14,5 Prozent. Ein Sisters Act also. Aber um den Preis, dass alles ausfransen könnte.
Klare Führung und klare Ansagen wären gefragt
Dass die Basisdemokratie mit ihren Checks & Balances, dem Aufteilen von Verantwortung auf viele bis hin zur Undurchsichtigkeit (hier die Struktur des Vorstands der Tiroler Grünen zur Veranschaulichung), auch in der Bundespartei wieder fröhliche Urstände feiern könnte. Eva Glawischnig hat nicht von ungefähr vor diesem Rückfall in alte Zeiten gewarnt. Gerade jetzt bräuchten die Grünen eine klare Führung mit klaren inhaltlichen Ansagen. Auch mit klaren Vorstellungen, wie breit man sich aufstellen und welcher Lebensrealitäten man sich annehmen will. Und warum nicht einmal ernsthaft mit den intern isolierten Querköpfen Peter Pilz und Efgani Dönmez (bevor der wirklich zu Sebastian Kurz wechselt) reden?
Oder sich ernsthaft mit Kritikern wie dem bekannten Wiener Anwalt Alfred Noll auseinandersetzen, damit der seine Charakteristik der Grünen aus diesem Standard-Posting vielleicht doch einmal revidieren muss: