Plan-tastic
Florian Gschwandtner, Kurz-ÖVP-affin und mit der Fitness-App Runtastic reich geworden, war in Kitzbühel auf einer Après-Ski-Party, wie es sie nach den Pandemie-Regeln eigentlich nicht geben dürfte. Eigentlich. Gschwandtner hat sich reuig gezeigt: In der heutigen, für uns alle schwierigen Zeit war es ein Fehler, nach einem Skitag noch mit Freunden am Après-Ski teilzunehmen. Es tut mir leid, meiner Vorbildfunktion hier nicht gerecht geworden zu sein. Große Empörung von der Gastronomieministerin bis zum heimlichen Chef von Kitzbühel, dem Hotelier und Tourismusobmann Christian Harisch – doch wer glaubt ihnen noch?
Der Plan ist, aus der Not eine Tugend zu machen: Die Bundesregierung ist mit dem Impfpflicht-Gesetz in ihr bisher umstrittenstes Vorhaben hineingestolpert, und sie macht daraus eine sanfte Tour. In einer Gewöhnungsphase werden nur Zufallsfunde an Ungeimpften der Bestrafung zugeführt, wenn sie sich binnen gesetzter Frist nicht doch noch impfen lassen. Erst in Phase 3 wird dann das Impf- mit dem Personen-Register abgeglichen und mit der Durchsetzung der Impfpflicht ernstgemacht. Am liebsten wäre es mir, wir müssten überhaupt nicht strafen, weil einfach die Impfquote schon so hoch ist, dass es nicht notwendig wird. Wir sehen, dass es nach wie vor Anreize braucht, impfen zu gehen, wir haben dieses Phasenmodell eben genau deshalb auch entwickelt, so Bundeskanzler Karl Nehammer. Auch die Opposition wird von ihm umarmt.
Der Lernende und die große Umarmung
Von meiner Seite aus jetzt hier ein großes Danke an Pamela Rendi-Wagner und Beate Meinl-Reisinger für diese vertrauensvollen, konstruktiven und aber auch sehr intensiven Diskussionen. So ein Satz, gefallen nach der Präsentation des Impfpflicht-Entwurfs am Sonntag, wäre Nehammers Vor-Vorgänger nie eingefallen, für den war die Pandemie aber auch vorbei, lange bevor er die Politik Richtung Silicon Valley verlassen hat. Der Abwickler am Ballhausplatz muss jetzt liefern, was die Landesfürsten dem Bund in jenem berühmten Remote-Happening am Achensee aufs Auge gedrückt haben: eine Impfpflicht mit fixem Starttermin am 1. Februar. So eine Maßnahme gleich mit Datum zu verkünden, das sei tödlich, sagt der Meinungsforscher Peter Hajek.
Für fast zwei Drittel hat die Regierung versagt
Hajek hat aktuelle Zahlen erhoben: 36 Prozent der für das Nachrichtenmagazin profil Befragten bewerten das Corona-Krisenmanagement der Regierung gut, hingegen sagen 59 Prozent – immerhin bald zwei Drittel -, dass die Regierung da eher versagt hat. Cathrin Kahlweit von der Süddeutschen Zeitung, die angesichts der Debatte über die Impfpflicht in Deutschland das Geschehen hierzulande besonders aufmerksam verfolgt, stellt der Regierung für die Finalisierung des Gesetzesentwurfs jetzt zumindest kein schlechtes Zeugnis aus: Das Ergebnis ist ein Kompromiss in jeder Hinsicht. Es preist ein, dass durch Omikron ein Abebben der Inzidenz zum Frühjahr wahrscheinlich ist und Fragen nach der Notwendigkeit einer Impfpflicht dann noch lauter werden. Es enthält regelmäßige Überprüfungen, ob und wann das Gesetz unnötig wird. Es hält die Kontrollen gering und die Bußgelder überschaubar.
Maßvolle Feigheit vor Feind und Ungeimpften
Kahlweit verweist auf den spezifischen Hintergrund: Die FPÖ habe, stärker als die deutsche AfD, aus der Pandemie ein Geschäftsmodell gemacht, sie kollaboriere mit Extremisten und Schwurblern und liege damit in den Umfragen bei 20 Prozent. Das jetzt vorgelegte Gesetz – immerhin das erste dieser Art in der EU – wolle die Eingriffe gering halten. Man kann das Feigheit vor dem Feind nennen. Oder Abwägung und Maß. Während sich in anderen EU-Staaten, nicht zuletzt in Deutschland, die Debatte über die Impfpflicht weiterschleppt, hat der neue österreichische Kanzler zumindest in dieser Frage Wort gehalten. Sein Land befindet sich ansonsten nach dem Abgang von Sebastian Kurz und einem halbherzigen Umbau der Regierung in einem seltsamen Zwischenstadium. Oder wie hier beschrieben: mitten in einem Wände-Manöver.
Kein rasendes Backing in der Bevölkerung
Den Überbau dazu liefert wieder Peter Hajek, der das seltsame Zwischenstadium mit Zahlen untermauern kann und im profil-Podcast sehr eindrücklich interpretiert hat: ÖVP und SPÖ bei der Sonntagsfrage mit 25 Prozent gleichauf, gefolgt von der FPÖ mit 20 Prozent und Grünen sowie NEOS mit je 11 Prozent. Fix über der 4-Prozent-Hürde liegt in jeder Umfrage seit Wochen die Impfgegner-Fraktion MFG. Der entscheidende Faktor neben der eklatanten Unzufriedenheit mit dem Pandemie-Management ist, dass diese Regierung schlicht keine Mehrheit mehr hat. Hajek rechnet vor: 25 plus 11 sind 36 – das ist jetzt nicht das rasende Backing durch die Bevölkerung. Wir haben es mit einer Regierung zu tun, die zwar über eine Mehrheit im Nationalrat verfügt, aber nicht mehr bei der Wählerzustimmung. Da kann man nicht mehr sagen: Umfragen sind Umfragen. Das könnte man sagen, wenn die gemeinsam 45 Prozent haben. Aber in dem Fall muss man sagen: Da hat es schon einen massiven Vertrauensverlust gegeben.
Ein in Watte gepacktes Zwischenstadium
Und genau so spürt sich die Regierungspolitik derzeit an: wie in Watte gepackt. Denn weder die Grünen und schon gar nicht die Nehammer-ÖVP wollen eine vorzeitige Wahl riskieren. Die einen hoffen, mit der vom Ex-Kanzler und dem als uralt entlarvten neuen Stil generierten Mehrheit noch mehr eigene Anliegen umsetzen zu können, die anderen hoffen, sich durch Weiterregieren vor dem völligen Absturz bei einer Antikorruptions-Wahl zu retten. Wie in Watte gepackt, das mag aus den oben beschriebenen Gründen beim maßvollen, wenn auch möglicherweise zahnlosen Impfpflicht-Gesetz angehen. Bei wolkigen Ankündigungen zu den Themen Transparenz, moderne Medienförderung und Informationsfreiheit ist das nicht akzeptabel. Und dass ÖVP-geführte Ressorts wie Landesverteidigung und Inneres die Phase einer gewissen Vakanz auch noch nutzen, um neue Posten zu schaffen und eigene Leute festzuzurren, ist ein großes Ärgernis.
Eine Sauerei von ungeahntem Ausmaß
Man möchte in diesem Zusammenhang fast Christian Harisch zitieren: Das ist eine Sauerei von ungeahntem Ausmaß. Also wir sind so was von richtig, richtig enttäuscht. Das geht einfach nicht. Harisch hat damit natürlich nicht Karner, Tanner & Co. gemeint, sondern den Lokalbetreiber, der dank unbedachter Transparenz von Runtastic-Legende Gschwandtner die Ruhe in Kitz vor dem Hahnenkamm-Wochenende gestört hat. Satte 137.000 Euro an Corona-Hilfen soll der Wirt kassiert haben, man wird sehen, ob er die zurückzahlen muss und eine saftige Strafe dazu. Oder ob es bei der in Watte gepackten Reaktion bleibt, die derzeit in Österreich so beliebt ist – und die auch Lokalkaiser Harisch beherrscht: Man werde den Tourismusbetrieben jetzt eine Guideline schicken, wo wir noch einmal eindringlich, eindringlich, eindringlich darauf hinweisen, dass die Maßnahmen einzuhalten sind. Und das ist keine Satire.
Ein Neujahrskonzert in der Mausefalle
Harisch war ja ein Verfechter des sogenannten touristischen Lockdowns, sprich: Zusperren im Jänner-Loch, wo ohnehin wenig los ist, und dafür im besten Fall auch noch Corona-Hilfen kassieren. Und nicht Promi-Après-Ski riskieren und Diskussionen, ob Hilfen zurückgezahlt und vielleicht endlich einmal strengere Maßstäbe angelegt werden müssen – im Dienst der Glaubwürdigkeit von Politik und Verwaltung. Der Kitzbüheler Tourismusobmann hat, wie er sagt, ein ganz großes Ziel: dass hier ein ruhiges Wochenende ist, und man wird sich wundern, wie ruhig dieses Hahnenkamm-Rennen abläuft. Womöglich schaut sich sogar die Polit-Prominenz die Rennen – so wie der Kanzler das Neujahrskonzert – nur im Fernsehen an. Ganz plan-tastic als Synonym für Fettnapf-Vermeidung. Und säße dann quasi in Watte gepackt in der Mausefalle.